Zum Konzept der Grundversorgung von Pro Senectute St. Gallen

Auf die ansteigende Altersbevölkerung und den erhöhten Pflegebedarf mit einem stetigen Ausbau der Pflegeangebote zu antworten, das geht nicht und reicht nicht. Neben der verbesserten Koordination der bestehenden Dienste braucht es den Aufbau von Sorge-Gemeinschaften – Altersorganisationen, Angehörige, Freundeskreis, Nachbarschaft – und das Ermöglichen von sozialer Teilhabe. Professionelle Altersorganisationen können dies anstossen. Pro Senectute St. Gallen bietet mit den vier Pfeilern für eine tragfähige Gesundheitsversorgung ein leistungsfähiges Konzept. Ein Dossier zum Konzept der Grundversorgung unserer Sozialorganisation.

Von Thomas Diener, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Pro Senectute St. Gallen

Gesund und zufrieden im Alter sein und leben – und das so lange wie möglich, in der vertrauten Umgebung: Ist das ein frommer Wunsch, in einer Zeit der stark ansteigenden Altersbevölkerung und der schwindenden Anzahl von Pflegefachkräften?

Ausbau allein reicht nicht

Angesicht der erwarteten Entwicklung scheint der sprichwörtliche gute Rat tatsächlich teuer zu werden. Denn wenn auf neue Herausforderungen stereotyp mit Stellenerweiterungen in bestehenden Strukturen reagiert wird, steigen die Kosten. Und der Nutzen bleibt oft geringer als erhofft.

In den vergangenen rund 30 Jahren wurden bestehende Hilfe- und Pflegeangebote insbesondere durch eine Professionalisierung optimiert. Damit verbunden waren eine zunehmende Differenzierung und Spezialisierung der verschiedenen Dienste.

Koordination der Dienstleistungen fehlt

Aber die Übersicht für Aussenstehende ging dabei verloren, und die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Kooperation über die Organisationsgrenzen hinaus, blieb weit zurück. Eine systematische, partizipative Zusammenarbeit der professionellen Fachkräfte mit betreuenden Angehörigen und weiteren Kräften der Zivilgesellschaft, sie rückte in den Hintergrund.

Neue Ansätze sind gefragt

Die Empfehlung, bestehende Dienste nicht prinzipiell weiter auszubauen, wirkt hinsichtlich der erwähnten Bevölkerungsentwicklung auf den ersten Blick paradox. Sie ist, näher betrachtet, aber zwingende Voraussetzung dafür, bestehende Strukturen zu hinterfragen und die Zusammenarbeit über die Organisationsgrenzen hinaus neu zu gestalten.

Das gelingt erfahrungsgemäss besser, wenn nicht einfach unbegrenzt Mittel zur Verfügung stehen, mit denen man sich in den bestehenden Strukturen bequem einnisten kann.

Mit Leistungsverträgen steuern

Das Bewusstsein muss deshalb gestärkt werden, dass Leistungsanbieter jeglicher Art zusammenarbeiten müssen, um eine qualitativ gute und finanzierbare Grundversorgung der älteren Bevölkerung auch in Zukunft sicherzustellen. Das erfordert nicht nur Koordination im Einzelfall, sondern auch verbindliche Strukturen über diesen einzelnen Fall hinaus.

Die Herausforderung liegt in der Umsetzung: Die Anbieter stehen untereinander in Konkurrenz. Und oft ist wenig Antrieb vorhanden, gemeinsame Ziele für eine gute Versorgung der älteren Menschen zu finden. Hier kann und soll die öffentliche Hand eine moderierende Rolle übernehmen: Im Rahmen von Leistungsverträgen kann sie steuernd eingreifen.

Stärkung der sozialen Teilhabe

Und: All die Dienste reichen nicht. Denn nur sozial integrierte Menschen bleiben selbständiger, zufriedener und gesünder. Die Teilhabe, das gesellschaftliche Integriertsein und -bleiben, ermöglicht die aktive Teilnahme am Leben und ist ein zentrales Element des erfolgreichen Alterns.

Menschen, die in die Gemeinschaft eingebunden sind und sich einbringen können, erfahren Zuspruch und Anerkennung. Die soziale Teilhabe schafft Zugang zu Ressourcen, die bei Bedarf abgerufen werden können – bei Angehörigen, Freundinnen, Freunden und Nachbarn. Lebendige Beziehungen sind die wesentliche Voraussetzung für tragfähige Sorge-Gemeinschaften.

Profiorganisationen helfen beim Etablieren
von Sorge-Gemeinschaften

Das entsteht in der Regel nicht aus dem Nichts. Es braucht Initiative, eine professionelle Moderation und Prozessbegleitung und die Bereitstellung von verlässlichen Strukturen, die auch tragen, wenn die Pioniere das Feld räumen. Pro Senectute Kanton St. Gallen hat die Erfahrung, diese Prozesse anzustossen.

Soziale Teilhabe bedeutet Prävention

Heute fokussieren die Leistungsanbieter fast ausschliesslich auf kurative Interventionen. Prävention und Hilfestellungen zur Selbsthilfe haben es nach wie vor schwer. Das liegt zu einem grossen Teil daran, dass kurative Angebote von der öffentlichen Hand mitfinanziert sind.

Vor allem Prävention hat nach wie vor einen schweren Stand: Hier werden, wenn überhaupt, nur Pilotprojekte finanziell unterstützt. Das führt dazu, dass präventive Ansätze oft nicht über die Pilotphase hinaus Bestand haben.

Welche ersten Schritte braucht es für die Zukunft?

Koordination und Kooperation erfordert zunächst einmal Wissen. Wissen darüber, welche Leistungen und Angebote es zu fördern gilt, um die hohen Ziele einer sorgenden Gemeinschaft und der Stärkung der Selbstsorge zu erreichen. Und das Ganze muss auch noch finanzierbar bleiben – für die älteren Menschen, aber auch für die öffentliche Hand.
 
Die zentralen Akteure – die öffentliche Hand, die Leistungsanbieter und die Vertreterinnen der Seniorinnen und Senioren – müssen sich darauf einigen, was unter einer tragfähigen Grundversorgung verstanden wird, welche Ziele damit erreicht werden sollen und welche Mittel dafür zur Verfügung stehen.

Grundversorgung im Verständnis von Pro Senectute
Kanton St. Gallen

Mit den vier Pfeilern einer tragfähigen Gesundheitsversorgung hat hier Pro Senectute St. Gallen ein tragfähiges Konzept: Im Altersleitbild des Kantons St. Gallen werden vier Elemente aufgeführt, die für die Sicherung einer möglichst hohen Lebensqualität im Alter als unverzichtbar gelten:
  • Gesundheit
  • materielle Sicherheit
  • Wohnen
  • Persönlichkeitsentfaltung und soziale Integration

Daraus leiten sich für eine tragfähige Grundversorgung für Pro Senectute St. Gallen nachstehende vier Ziele ab:

Fazit

Für die gute Unterstützung der älter werdenden Menschen zu Hause oder in kollektiven Wohnformen braucht es nicht in erster Linie neue Angebote. Meist genügt es, die bereits vorhandenen Leistungen rund ums Thema Alter zu optimieren und aufeinander abzustimmen.

Damit ältere Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können und in ihrer Fähigkeit zur Selbstsorge gestärkt werden, benötigen sie nicht nur Pflege, sondern auch Hilfeleistungen, Möglichkeiten für Partizipation und zuverlässige Beziehungspersonen.

Neben den professionellen Kräften ist auch das Engagement der Zivilgesellschaft gefragt. In dessen kreativer Nutzung liegt Potenzial brach – ein lokal vorhandener Schatz, der aktiviert und ausgespielt werden kann.

Pro Senectute Kanton St. Gallen ist bereit, diesen Weg konsequent zu gehen. Allein kann sie nichts erreichen. Kooperationswillige Weggefährten sind herzlich willkommen.
 

Tagung zum Thema Grundversorgung

Das Konzept mit den vier Pfeilern zur Grundversorgung im Alter ist zentral für Pro Senectute Kanton St. Gallen. Die Organisation veranstaltete am 21. November 2019 dazu eine erfolgreiche, ganztägige Tagung. Beachten Sie dazu auch die untenstehenden Links.

Links – Lesen Sie mehr!

Konzept «Grundversorgung im Verständnis von Pro Senectute Kanton St. Gallen» (PDF)
Fachtagung Grundversorgung, Pro Senectute Kanton St.Gallen, Würth Haus, Rorschach
Bilder und Impressionen von der Fachtagung Grundversorgung, Pro Senectute Kanton St.Gallen, Würth Haus, Rorschach